Zusammengerollt lag sie da. Ihr war kalt. Die Decke lag vor ihr, knapp außerhalb ihrer Reichweite. Sie hätte sich bewegen müssen, um sie zu erreichen. Doch sie konnte sich nicht bewegen, innerlich wie äußerlich war sie erstarrt. Die Kälte nahm zu und schenkte ihr die willkommene Ablenkung, nur an sie denken zu müssen.
Mehrere Minuten brauchte sie, bis sie sich dazu überwinden konnte, ihre innerlichen Fesseln zu sprengen und so viel Bewegung in sich zu bringen, um eine Ecke der Decke ergreifen zu können. Endlich bedeckt. Eine sofortige Besserung des Kältegefühls setzte ein, doch keine Heilung war möglich. Zu tief saß sie in ihr, diese Kälte. Es würde sehr lange dauern, sie ohne äußere Wärme zu vertreiben. Es erschien ihr für den Moment unmöglich, sie aus eigenen Kräften zu besiegen.
Er war zu weit gegangen. Sie war zu weit gegangen. Sie beide waren zu weit gegangen. Konnte sie ihm das zum Vorwurf machen? Hatte sie nicht zugestimmt? Erweiterung der Grenzen nannte man das wohl. Musste man doch schließlich ab und an machen. Stillstand war doch schlecht, oder etwa nicht? War sie schlecht, da es ihr zu weit gegangen war? War sie nicht gut genug, es zu ertragen? Hätte er nicht erkennen müssen, dass es eine Linie in ihr überschritten hatte, die sie niemals überschreiten wollte, die sie niemals überschreiten hätte sollen? Und doch hat sie es getan. Warum hatte er nicht aufgehört? Natürlich, sie hatte nichts gesagt, aber sollten diese dominanten Menschen nicht Gedanken lesen können? Waren sie nicht diese allwissenden, ständig souveränen Übermenschen? Lohnte es sich sonst, sich ihnen zu unterwerfen, wenn sie es nicht waren?
Sie würde das, was sie getan hatte, ein Leben lang mit sich herumtragen. Dieses Bild würde sie nie wieder loslassen können.
„Hier bist Du ja noch immer. Alles gut?“
Sie nickte.
„Mir ist kalt“, fügte sie nach ein paar Sekunden hinzu.
„Na komm, ich wärme Dich.“
Er kroch zu ihr unter die Decke. Sein Körper strahlte Wärme aus, die sie dankbar annahm. Die Wärme verschaffte ihr Linderung. Sein Körper fühlte sich dennoch fremd an. Sie musste an sich halten, sich nicht zu versteifen.
Ihr Körper saugte die Wärme auf. Er absorbierte sie und wurde dennoch nicht richtig warm. Nur ein wenig, an manchen Stellen. Ihre Füße und ihre innere Mitte blieben jedoch eiskalt. Sie zitterte. Innerlich oder auch äußerlich?
„Ich bin sehr stolz auf Dich, dass Du Dich darauf eingelassen hast!“, wurde in ihr Ohr geflüstert.
Sie war leer, sie war beschämt, sie war auf eine ungute Art erniedrigt, sie war kalt, aber sie war nicht stolz. Nicht ansatzweise.
„Ich wusste, dass Du Dich eines Tages darauf einlassen wirst!“, ging das Flüstern weiter.
Nein, er konnte definitiv keine Gedanken lesen. Er konnte auch nicht ihre Gefühle lesen. Er konnte sie nicht lesen. War sie zu streng mit ihm? Musste er nicht spüren, dass sie ganz und gar nicht in Ordnung war?
„Du hast mir ein unglaubliches Geschenk damit gemacht!“
Unglaublich fand sie es auch. Unglaublich demütigend. Unglaublich abstoßend.
„Und weißt Du, was wir nun alles machen können, jetzt, wo das endlich mit Dir möglich ist? Mir fallen noch ganz viele Dinge dazu ein!“
Hilfe. Sie musste sich ganz viele Dinge einfallen lassen, ihn davon abzubringen. Nein, nicht nochmals, nie wieder, gar nie wieder wollte sie irgendetwas machen. Nicht mit ihm. Nicht solche Dinge und aus Vorsicht am besten auch nie wieder etwas anderes. Keine Angriffsfläche bieten. Nicht in Versuchung geraten, sich nicht ihm anvertrauen, niemals die Reißleine loslassen, nein, besser gar nie in die Situation kommen, sie ziehen zu müssen.
„Jetzt musst Du aber langsam warm sein. Danke nochmals, Du warst ganz toll!“
Die Wärmflasche war wieder weg.
Ihr war noch immer kalt und sie schwieg.
© Devana Remold