Draußen zirpten die Grillen an einem sternenklaren toskanischen Septemberabend. Ich hatte eine schöne Sauce Bolognese gekocht, die ich zusammen mit Tagliatelle und zuvor einem Salat serviert hatte. Dazu gehörte auch noch ungesalzenes toskanisches Weißbrot und natürlich ein guter Chianti.
Wir aßen drinnen, da es draußen um diese Zeit doch schon recht kühl wurde. Es ging uns richtig gut und wir genossen die Stimmung. Über dem Esstisch hatte ich kein Licht gemacht. Nur von der Küche drang Licht zu uns herüber und die beiden Kerzen, die ich angezündet hatte, beleuchteten unser Mahl. In Urlaubslaune unterhielten wir uns gelöst. Es war genau Halbzeit unseres Aufenthalts und selten hatten wir uns so gut erholt wie in diesem kleinen Ferienhaus mit dem ungestörten Garten vor der Haustür.
Nach dem Essen deckte ich ab, machte noch Espresso und stellte einige Amarettokekse bereit. Wir wollten noch ein wenig spielen. Etwas, zu dem man im grauen Alltag sonst kaum kommt. Ich holte also eines unser Lieblingsspiele hervor. Das Spiel ‚Carcassonne‘ basiert auf einer Mischung aus Glück und Taktik. Gegen Ende der ersten Partie, als sich abzeichnete, dass ich verlieren würde, flachste mein Schatz: „Wer diese Runde verliert, bekommt den Analstöpsel verpasst!“ Lachend gab ich meinen Protest kund, da der Spieleinsatz eindeutig ein wenig verspätet verkündet wurde. An seinem Lachen konnte ich entnehmen, dass er es ebenfalls als Scherz verstanden hatte. Und tatsächlich verlor ich kurze Zeit später.
„Nochmals?“, fragte ich.
„Ja, aber um was spielen wir jetzt?“
„Hm, ich schätze, dass Du auf den Analstöpsel nicht sonderlich scharf bist.“
Er grinste mich nur an.
„Wie wäre es, wenn wir darum spielen, wer morgen das Frühstück macht?“, schlug ich vor.
„Und den anderen davor noch ‚erotisch‘ weckt“, ergänzte er noch.
Ohne noch weiter zu definieren, was ‚erotisch‘ bedeuten würde, einigten wir uns auf diesen Spieleinsatz. Ich gab zwar noch protestierend kund, dass für mich der Einsatz sehr viel höher sei, da ich der größere Morgenmuffel von uns bin. Aber das war auch nicht richtig ernst gemeint. War ich mir doch sicher, diesmal zu gewinnen, nachdem ich schon das letzte Mal verloren hatte.
Anfangs lief das Spiel auch sehr gut für mich. Ich baute eine riesige Stadt, besetzte ein Kloster und belegte Wiesen und verhinderte erfolgreich, dass er zwei seiner Städte zu Ende bauen konnte. Wir spielten, bis alle Karten verbraucht waren und siegessicher machte ich die Endabrechnung. Das Gemeine an diesem Spiel ist allerdings, dass es manchmal ganz anders endet, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Beim Zählen wurde das langsam klar. Ich blickte ihn an. Und hatte er zuvor noch über den Spielverlauf lauthals geflucht, spielte nun ein Lächeln um seine Lippen.
„Ich glaube, Du hast doch gewonnen“, gab ich schließlich zu.
„Ich weiß.“
Ich zählte zu Ende und tatsächlich hatte er zehn Punkte mehr als ich.
„Also morgen Frühstück um fünf!“, gab er triumphierend kund.
„Ja klar, wenn der Hahn nebenan kräht! Natürlich!“, erwiderte ich im ironischen Unterton. Wir einigten uns dann doch noch auf eine etwas menschlichere Zeit.
Wir spielten noch eine Weile lang andere Spiele. Aber mir an diesem Tag das Spielglück einfach nicht hold. Immerhin bei der Partie Blitzschach, die wir zum Schluss noch spielten, konnte ich ihn an diesem Abend noch schlagen.
Gut gelaunt gingen wir ins Bett. Zuvor programmierte ich noch die Stereoanlage darauf, uns am nächsten Morgen mit Vivaldis ‚Vier Jahreszeiten‘ zu wecken.
* * *
Ich wachte auf. Es war schon heller Morgen, wie mir durch das diffuse Licht, das durch die Fensterläden drang, verdeutlicht wurde. Erstaunt stellte ich fest, dass dies der erste Morgen war, an dem ich den Nachbarshahn, der tatsächlich immer um kurz nach fünf krähte, nicht gehört hatte. Aber es musste auch noch vor neun sein, denn Musik hörte ich auch noch nicht. Mir fiel der Spieleinsatz vom Vortag ein. Wie sollte ich das erotische Wecken gestalten? Mich über ihn beugen, ihn mit meinem Busen streicheln und mit meinen Nippeln über sein Gesicht fahren, seinen Mund damit suchend, damit er an ihnen saugen kann? Das würde ihm sicherlich gefallen. Aber sehr einfallsreich wäre es nicht, ist dies doch sonst meine morgendliche Standardbegrüßung, die er täglich erhält, wenn sein Wecker losgeht und er zur Arbeit muss. Eine Begrüßung, die mal mehr und auch mal weniger liebevoll ausfällt, je nachdem, wie wach ich um diese Zeit bereits bin. Vergessen tue ich sie allerdings nur noch sehr selten, steht darauf doch eine Strafe.
Nein, diesmal sollte es schon etwas anderes sein. Und meine Fantasie hatte auch schon zu arbeiten begonnen.
Er lag neben mir, auf der Seite, mir den Rücken zugewandt. An seinem Atem konnte ich erkennen, dass auch er schon wach war. Ich hob seine Decke an und kuschelte mich an ihn.
© Devana Remold