Die Adventszeit könnte ja so schön sein, gäbe es da meist nicht ein Problem, das einem auf der Seele liegt: Weihnachtsgeschenke für die Lieben. Tagelang macht man sich Gedanken, womit man anderen eine Freude bereiten kann. Bei manchen fällt es einfach, andere hingegen scheinen schon alles zu haben. Wenn man Glück hat, werden Wünsche geäußert, wenn man Pech hat, sind diese so speziell, dass man stundenlange Internetrecherchen und Suchmarathons in diversen Geschäften absolvieren muss. Ganz schlimm sind die Leute, die gar nichts sagen, gar nichts wollen und gar nichts brauchen. Da geht man dann in die Stadt und sucht nach dem Gegenstand, der vielleicht doch der Richtige ist, ohne dass der Beschenkte das bis dahin wusste.
Jedenfalls bedeutet die Adventszeit für den Schenkenden Stress. Nicht selten endet dies mit ausgedehnten Streifzügen durch weihnachtliche Einkaufsparadiese, die man sich mit Tausenden anderen Suchenden teilen muss, während man sich verflucht, wie man auf die doofe Idee kommen konnte, im Winter eine Winterjacke anzuziehen, wo doch die Kaufhäuser auf tropische Temperaturen hochgeheizt wurden. Auch wenn im Hintergrund “I’m Dreaming of a White Christmas” läuft und Glühwein ausgeschenkt wurde (der bei über fünf Grad Außen- bzw. Kaufhaustemperatur einfach nicht schmeckt).
Aber es gibt Entspannungs- und Aufheiterungsmöglichkeiten während eines solchen Einkaufsmarathons. Kurze Momente der Ablenkung und der Erheiterung, wenn man als BDSMler mit offenen Augen durch die weihnachtlichen Straßen und Geschäfte läuft und sich so seine Gedanken macht über seine Mitmenschen.
Zehn Prozent der Menschheit sollen ja angeblich devote, masochistische, dominante oder sadistische Neigungen haben. Also muss somit jeder Zehnte, der einem über dem Weg läuft, einer sein. Ein wirklicher oder potenzieller BDSMler.
Zum Beispiel der Kerl, der dort wie bestellt und nicht abgeholt an der Ecke am Eingang des Kaufhauses steht. Bestimmt wurde der von seiner Domme dort hingestellt und darf sich erst wieder dort wegbewegen, um seiner Herrin die Tüten nach Hause zu schleppen. Eigentlich ein ganz praktischer Gedanke, ich sollte mir auch so einen anschaffen. Der eignet sich auch bestimmt gut als Gepäckaufbewahrung, damit man während des Einkaufens die Hände wieder frei hat.
Oder die alte Oma dort in der Haushaltswarenabteilung, die äußerst kritisch diverse Pfannwender prüft. Klar, die müssen ja auch einiges aushalten, wenn man den Opa den Hintern versohlt.
Die arme junge Frau, die am Glühweinstand inmitten einer Schar Männer steht, als einzige keinen Glühwein in den Händen hält und keinen Ton sagt, ist bestimmt eine Sklavin mit Sprechverbot, und trinken darf sie nur Wasser. Und zwar aus dem Hundenapf auf dem Boden.
Und die Frau dort drüben geht bestimmt nur deshalb so steif durch die Gegend, da sie einen riesigen Plug im Hintern trägt. Die Highheels hat sie sich sicherlich auch nicht freiwillig angezogen. Wer zieht sich schon freiwillig diese hohen Dinger an, wenn man stundenlang durch die Stadt laufen muss?
Und die Dunkelhaarige dort hinten hat sicherlich den Auftrag bekommen, nicht nur ihre, sondern auch SEINE Geschenke zu besorgen. Und wehe sie kommt ohne nach Hause. Ach nee… das ist ja ein Spiegel und die Dunkelhaarige bin ich selbst…
© Devana Remold